Quiz-App im Sprachunterricht

Willkommen im Klassenraum der 9b einer Schule in einer deutschen Großstadt. Die Schüler*innen melden sich gerade im Englischunterricht bei einer Quiz-App an, um Aufgaben von ihrer Lehrerkraft zu bearbeiten.

Anmeldeprozess

Eine Schülerin der 9b meldet sich bei der Quiz-App an. Diese Anmeldung produziert digitale Daten, die auf dem Bildschirm der Lehrperson eine Übersicht darüber erzeugen, welche Schüler*innen sich ebenfalls angemeldet haben. Die Lehrperson projiziert diese Übersicht an das Whiteboard. Alle Schüler*innen sehen, wer schon angemeldet ist.

Antworten als Dateneingabe

Während das Quiz läuft, werden vorn sichtbar für alle Schüler*innen die jeweiligen Quizfragen mit Antwortmöglichkeiten eingeblendet. Die Schüler*innen geben ihre Antworten über ihr Smartphone oder Tablet individuell ein.

Sichtbarkeiten von Daten, Selbst und Anderen

Das Whiteboard zeigt, wie viele Schüler*innen sich für welche Antwortmöglichkeit entschieden haben. Alle Quizteilnehmer*innen sehen in Echtzeit, wie viele Mitschüler*innen welche Antwort wählen. Nach jeder Frage zeigt die App immer die Top zehn Namen jener Schüler*innen an, die korrekt und besonders schnell geantwortet haben. Die Schüler*innen sehen sich und ihre Ergebnisse im Verhältnis zu ihren Mitschüler*innen. Aber auch die Lehrperson sieht die Schüler*innen auf bestimmte Weise, nämlich mit Blick auf deren Dateneingabe, das heißt die „richtigen“ und „falschen“ Antworten auf die von der Lehrerperson als „schwer“ oder „leicht“ eingestuften Fragen.

Datenspuren online

Zur gleichen Zeit, während die Schüler*innen spielen, reisen Daten durch die App zu verschiedenen „Orten“. Die IP-Adresse, Cookies, der Browsertyp oder Informationen dazu, welche anderen Webseiten die Schüler*in vor dem Quiz besucht hat, fließen als Daten zu verschiedenen Internetdiensten. Einige der Daten sind notwendig, damit die App im Klassenraum funktioniert, zum Beispiel für die Verbindung zum Serverhost oder andere „essentielle Cookies“. Andere fließen zu diversen Diensten wie Tracking- und Werbediensten, unter anderem für Unterhaltungs- oder Shoppingangebote.

Daten für Trackerdienste

In diesem Beispiel reisen einige wenige der (nicht-personalisierten) Daten zu einem Trackingdienst, der einige der Daten neu zusammenstellt, sie bündelt und diese Bündel an seine Großkunden oder weitere Trackingdienste verkauft. Unternehmen, die Daten sammeln, bündeln und an Dritte verkaufen, werden auch “Datenbroker” genannt, weil sie mit Daten handeln.

Daten für App-Anbietende

Auch die App-Anbietenden nutzen kleine Teile der Datenspuren. Beispielsweise wird auf Basis aggregierter Nutzungsinformationen die App selbst weiterentwickelt. Oder aber sie verwenden die Informationen zur Art der Nutzung und zu den Nutzenden selbst, um ihre Apps und weitere Softwareprodukte zielgruppengerechter zu bewerben.

Quizauswertung

Während die Daten zu den Internetdiensten und Anbietern fließen, erhält Klasse 9b ihr Quizergebnis. Die Lehrerperson teilt den Computerbildschirm mit der Klasse, auf dem die drei besten Schüler*innen der Klasse mit der höchsten Punktzahl genannt sind. Die App hat aus verschiedenen Werten – wie beispielsweise Korrektheit der Antwort und Schnelligkeit der Eingabe – für alle Quizteilnehmenden Zahlenwerte und schließlich eine Platzierung errechnet. Alle sehen, wer die*der „Beste“ oder vielmehr die*der Erstplatzierte ist.

Alle Schüler*innen sehen auf ihrem eigenen Bildschirm, wo sie im Vergleich zu ihren Mitschüler*innen stehen. Auch wenn das Siegertreppchen von der App leicht verständlich visualisiert wird, die Nutzung scheinbar reibungslos funktioniert und zu einem vermeintlich eindeutigen Ergebnis kommt, können sich Schüler*innen und Lehrpersonen Fragen stellen über die Bedeutung der Informationen, die sie durch die Datenbearbeitung der App über sich selbst oder ihre Schüler*innen erhalten.

Was macht dieses „12. von 26“ mit mir? Fühle ich mich kompetent oder eher nicht?
War ich zu langsam? Verstärkt es den Wettbewerb mit meinen Mitschüler*innen oder soll ich es nicht so ernst nehmen?
Heißt 12. von 26, dass ich eine 3 bekomme? Würde ich bei anderen Fragen besser abschneiden?
Kann ein Spiel in der Schule „nur“ ein Spiel sein?
Wer hat die Fragen eigentlich formuliert – die Lehrkraft oder das System? Wer gibt mir die Note – die Lehrkraft oder das System?
Worum ging es im Quiz nochmal? Ich kann die Fragen nicht mehr sehen, nur die Zahlen.

Nach Quizende erhält die Lehrperson eine Übersicht, welche Schüler*innen welche Quizfragen schnell und korrekt oder langsam oder falsch beantwortet haben. Sie kennt ihre Schüler*innen und deren Stärken, Potentiale und Einzigartigkeit. Manchmal bündelt sie auch die Schüler*innen nach Notengruppen (die 1er-, die 2er-, die 3er-Schüler*innen usw.). Diese Bündel lösen sich in einer Rangliste von 1 bis 26 auf, sodass nicht alle „1er“ auch „Erste*r“ sind, sondern auf Positionen 1, 2, 3…7, 9 verteilt. Die Lehrperson sieht detailliert, wie die Schüler*innen geantwortet haben und kann nun entscheiden, ob und wie sie jene Quizteilnehmer*innen, die Schwierigkeiten hatte, unterstützen kann.

Fazit

Wenn Schüler*innen im Unterricht digital unterwegs sind, werden Daten über sie generiert.

Diese Datenreise zeigte an einem Beispiel, wie einige Daten bei der Lehrkraft in Form einer Rankingliste ankommen. Auf Basis der Daten wurden Schüler*innen in ein bestimmtes Verhältnis zu ihren Mitschüler*innen gesetzt. Weitere Daten fließen zu Anbietern, Trackingdiensten oder Datenbrokern und können viel weiter durch das Internet reisen, um mit den shopping- und unterhaltungsbezogenen oder politischen Interessen der Schüler*innen verknüpft zu werden.

Folgende Fragen lassen sich auch an weitere Apps, Lernwebseiten oder Plattformen stellen: Wie werden die Schüler*innen bei der Nutzung für die Lehrkraft, für sich selbst und für andere Akteur*innen sichtbar? Sind das neue Arten der Sichtbarkeit? Was macht das mit Schüler*innen und Lehrkräften?

Unsere Datenreise zeigt einige unserer Antworten auf diese Fragen. Sie möchte auch anregen, einen offenen Blick auf das erzeugende Potential von datenintensiven Apps zu entwickeln. Wir laden Sie dazu ein, gemeinsam mit Kolleg*innen, Schüler*innen, anderen Personen und mit uns weitere Fragen zu stellen und neue Nutzungsweisen zu gestalten.